Was bedeutet elektrosensibel?
Wir Menschen haben kein Wahrnehmungsorgan für künstlich erzeugte elektromagnetische Felder. Und doch sind biologische Effekte nachweisbar, die sich auf unsere Befindlichkeit und unser Immunsystem negativ auswirken. Menschen, die mit körperlichen Symptomen auf die künstlichen elektromagnetischen Felder reagieren, werden als „elektrosensibel“, „elektrohochsensibel“ oder „elektrohypersensibel“ bezeichnet (EHS). Bei einigen treten ernste Symptome wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Tinnitus o.ä. akut auf und können Erkrankungen wie anhaltende Herzrhythmusstörungen, Hautbrennen, Gliederschmerzen, Fatique-Syndrom u.a. zur Folge haben. Die dadurch entstehenden gravierenden Einschränkungen der Lebensqualität führen ggf. Frustrationen, Depressionen und berechtigten Existenzängsten. „EHS“, auch „EMF-Syndrom“ oder „Funk-Allergie“ genannt, wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.
Eine besonders hohe Empfindlichkeit gegenüber künstlichen elektromagnetischen Einflüssen kann eine oder mehrere Ursachen haben, z.B. andere Vorerkrankungen, Umweltgifte, Defizite in der Stressregulation, Fehlfunktionen im Limbischen System, o.ä. (siehe “Biologische Wirkmechanismen”).
Alle Lebewesen sind elektrosensibel
Biologische Auswirkungen elektromagnetischer Felder sind nicht nur beim Menschen, sondern auch bei Tieren und Pflanzen zu beobachten.
Auch wenn wir keine Symptome bemerken und die Auswirkungen nicht spürbar wahrnehmen, finden auf zellulärer Ebene Veränderungen statt, die die Gesundheit negativ beeinflussen können. Sogenannte „Elektrohochsensible“ sind daher insofern im Vorteil, als die Unannehmlichkeiten dazu führen, dass sie alle Schritte unternehmen, um Exposition zu vermeiden.
Alle Lebewesen sind „elektrosensibel“!
Schwierige Diagnostik
In unserem Gesundheitssystem ist EHS noch nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt. Die WHO veröffentlicht regelmäßig die Internationale Klassifikation von Krankheiten (ICD). Sie bildet in Deutschland das nominelle Erkrankungsverzeichnis und damit die Grundlage der Leistungsvergütung im Gesundheitswesen. Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland sind verpflichtet, die Behandlungsdiagnosen im ICD-System zu verschlüsseln. Behandelnde können bei einem EHS-Patienten derzeit lediglich die Symptome wie Kopfschmerzen, Befindlichkeitsstörungen oder Schwindel codieren. Darüber hinaus findet man ergänzende Ziffern für die Exposition gegenüber nicht-ionisierenden elektromagnetischen Feldern. Die Diagnose “Elektrohypersensibilität” an sich existiert dort nicht.
Komplexe Mechanismen
Zu behaupten, EHS entstünde allein durch die vermehrte Exposition gegenüber Funkwellen, wäre zu einfach. Es wirken in der Regel mehrere Ursachen zusammen, die über komplexe Mechanismen auf Zell- und Organebene zur Hypersensibilisierung führen (siehe „Biologische Wirkmechanismen“).
Dennoch lässt sich ein Zusammenhang nicht ignorieren: Denn die Erfahrung von Ärzten u. a. der letzten Jahre hat gezeigt, dass mit steigender Belastung durch künstliche elektromagnetische Felder die Zahl der Menschen, die an EHS leiden, zunimmt. Die Belastung wird nicht allein durch die Anzahl an Mobilfunk-Sendeantennen, WLANs und Endgeräten bestimmt, sondern ebenfalls durch Belastungen elektromagnetischer Felder von z.B. Monitoren, Notebooks, Energiesparlampen und sonstigen elektronischen Geräten. Die zunehmende Verbreitung elektronischer Anwendungen wie z.B. “Smart Home” und die Ausbaupläne zu 5G-Anwendungen wird die Belastung mit sog. “Elektrosmog” weiter erhöhen.
EHS weist viele Ähnlichkeiten zu Multipler Chemikalien-Sensitivität (MCS) auf. Menschen, die an EMF-bedingten Beschwerden leiden, haben häufig auch eine Sensibilität gegenüber Chemikalien. Da unser Körper insbesondere auf Chemikalien und elektromagnetische Felder stark reagieren kann, ist dies nachvollziehbar.
Ernstzunehmende Beeinträchtigung
Bis sich die Auswirkungen elektromagnetischer Felder als Krankheit manifestieren, vergeht in der Regel viel Zeit. Es gibt aber ernstzunehmende Beeinträchtigungen, die bei manchen Personen akut auftreten, bei anderen zeitverzögert (wie z.B. Wortfindungsstörungen, Konzentrationsschwäche, Kopfschmerzen, Enge in der Brust, Schwindel, Herzbeschwerden (siehe “Symptome“). Wissenschaftliche Daten belegen, dass elektromagnetische Felder zu Befindlichkeitsstörungen und zahlreichen Krankheiten beitragen.
Immer mehr Länder beginnen, EHS als ernstzunehmende Beeinträchtigung anzuerkennen. Damit verbessert sich auch die rechtliche Lage: Abschirmmaßnahmen sind steuerlich absetzbar. Gerichte gestehen Erkrankten Unterstützungsleistungen zu. Arbeitgeber richten elektrosmog-arme Arbeitsplätze ein. Versicherungsgesellschaften verweigern zudem Mobilfunkanbietern einen Versicherungsschutz und Handyherstellern eine Produkthaftung.
Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bezeichnet sich „etwa ein Prozent der bundesdeutschen Bevölkerung selbst als elektrosensibel“. Diese Zahl deckt sich allerdings nicht mit den Zahlen internationaler Studien, die seit dem Jahr 2000 veröffentlicht werden und bis in den zweistelligen Prozentbereich gehen. Da es keine offizielle und eindeutige Definition des Krankheitsbildes gibt, sind die vorhandenen Zahlen schwer miteinander vergleichbar und bieten Raum für Interpretation. Deutlich ist aber, dass die Gesamtzahl der Menschen, die sich selbst als “elektrosensibel” bezeichnen, stark zunimmt.